31. 1. 2023
Februarausgabe des Fachmagazins soziologie heute
21. 12. 2022
Spendenfreude trotz oder wegen Teuerung?
Im laufenden Jahr haben 71 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gespendet. Die Durchschnittsspende erreichte mit rund 123 Euro nahezu das Niveau des Jahres 2019. Mit den üblicherweise spendenstarken Wochen rund um die Weihnachtszeit dürfte dieses Ergebnis letztlich noch übertroffen werden.
Vom 19. 10. bis 15. 11. 2022 führte Public Opinion die alljährliche Spendenmarktbefragung durch. Insgesamt wurden heuer 1008 Personen repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren befragt. Nach dem Rekordergebnis im Jahr 2019 und den ersten Einbrüchen im Jahr 2020 stand vor allem die Frage im Raum, wie sich die abflauende Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg mit seinen Folgewirkungen auf die Spendenbereitschaft der Österreicher/innen ausgewirkt hat. Die aktuellen Zahlen lassen erste Befürchtungen zunächst noch in den Hintergrund treten. Die Lockerungen seitens der Regierung bei der Corona-Pandemie brachten erste Entspannungen für den Spendenmarkt, doch mit Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar und den in Folge auftretenden Belastungen kamen weitere Herausforderungen für die spendensammelnden Organisationen hinzu.
Dank der Professionalität der Organisationen konnte der Anteil der regelmäßigen Spender großteils gehalten werden. Auf die neuen Herausforderungen reagierten die Spender vor allem situativ. So stieg der Anteil der anlassbezogenen/situativen Spender auf rund 64 Prozent.
Gespendet wird wie in den Jahren zuvor hauptsächlich für Kinder und Tiere. Es folgen als Spendenziele die Katastrophenhilfe im Inland und Obdachlose/Bettler. Frauen erweisen sind hinsichtlich der Bandbreite als die fleißigeren Spender. So richten deutlich mehr Frauen als Männer ihr Augenmerk auf Kinder, Tiere, Obdachlose/Bettler, geistig oder körperlich Behinderte oder die Missionsarbeit. Männer wiederum neigen eher zu Spenden für Entwicklungshilfe oder für den Sport (Nachwuchs-, Behindertensport).
Besonders starke Beweggründe für das Spenden sind die Sicherheit darüber, dass Spenden auch zielgerichtet ankommen, berührende Einzelschicksale und die Betroffenheit von der Not anderer. Für rund 42 Prozent der Befragten sind auch die Belastungen der Mitmenschen durch Teuerungen/Inflation ein wichtiges Spendenmotiv. Helfen, weil der Staat zu wenig für die Hilfsbedürftigen tut oder weil sonst niemand anderer hilft, sind Beweggründe, welche im Vergleich zum Vorjahr relativ stark hinzugewonnen haben. Auch das öffentliche Eintreten von Prominenten für eine Hilfsorganisation hat als Motiv an Bedeutung gewonnen.
Im ländlichen Bereich fallen die Durchschnittsspenden mit rund 138 Euro deutlich höher als im städtischen Bereich (~114 Euro) aus. Obwohl der Anteil der Spender in der Steiermark und Kärnten mit 60 Prozentpunkten vergleichsweise gering ist, werden in diesen Bundesländern mit 148 Euro die höchsten Durchschnittsspenden erzielt. Den höchsten Anteil an Spendern (~80 %) weist die Bundesländergruppe Niederösterreich/Burgenland auf.
Neben den für Hilfsorganisationen unverzichtbaren Geldspenden helfen allerdings auch Sach- und Zeitspenden, die Not beim Nächsten zu lindern. 38 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher beteiligen sich an einer Altkleidersammlung, 21 Prozent spenden Blut und rund 17 Prozent spenden Sachwerte wie Lebensmittel, Möbel, Haushaltsgeräte, Schulsachen etc. 15 Prozent helfen Nachbarn/Hilfsbedürftigen/älteren Menschen mit Einkäufen und 6 Prozent haben in den letzten 12 Monaten Flüchtlinge/Asylwerber beim Lernen oder im Alltag unterstützt.
In Anbetracht dieser Gegebenheiten fällt das Ergebnis für den österreichischen Spendenmarkt heuer durchaus erfreulich aus. Und das bevorstehende Weihnachtsfest bietet einen weiteren Anstoß, die Verantwortungsübernahme für den Nächsten und unsere Umwelt wach zu halten.

soziologie heute Oktoberausgabe 2022

(26. 9. 2022) Werte Leserin, werter Leser,
beim Schreiben dieser Zeilen sehen wir uns mit den jüngsten Schreckensmeldungen konfrontiert: großräumige Überflutungen in Pakistan, blutige Niederschlagung von Protesten im Iran, Teilmobilmachung des Militärs in Russland usw. Hinzu kommen enorm gestiegene Gas- und Ölpreise, steigende Inflation, Häufung von Konkursen versus Meldungen von Rekordgewinnen mancher Konzerne, vermehrter Andrang bei Sozialmärkten und Suppenküchen, kalte Wohnungen usw. Vor einigen Jahren wäre man für solche Meldungen noch müde belächelt worden; heute ist kaum noch jemandem zum Lachen zumute und verantwortungsbewusst agieren wollende Politiker sind um ihre Aufgabe nicht zu beneiden.
soziologie heute hat für die großen Probleme dieser Welt auch keine Lösung anzubieten. Was wir allerdings tun können, ist für Herausforderungen auf der Mikro- und Meso-Ebene zu sensibilisieren, Fragen aufzuwerfen und Diskussionsbeiträge zu liefern.
So befasst sich die Psychologin Sabrina Krauss mit der Frage, wie sinnvoll der gesellschaftlliche Konsens zur Bewertung einzelner Eigenschaften ist und der Philosoph Konrad Stadler ist Anhaltspunkten auf der Spur, welche uns erlauben, in stürmischen Zeiten stabil leben zu können.
Mediensoziologe Bernhard Martin verweist in seinem Beitrag auf Defizite in Staat und bürgerlicher Gesellschaft und fordert für gesellschaftspolitisch konstruktives Handeln erfahrungswissenschaftlich begründetes Know-How. So sollte die Soziologie als Freier Beruf bildungspolitisch vorbereitet und kompetenzorientiert eingeführt werden.
Alle Autofahrer kennen sie, doch bei nicht allen sind sie beliebt: die Fernfahrer. man macht sie verantwortlich für Staus, riskante Überholmanöver, Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Dabei sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie zählen zu den systemrelevanten Berufen, ohne die unsere Versorgung nicht gesichert wäre. Bernhard Hofer skizziert diese bislang wissenschaftllich vernachlässigte Berufsgruppe.
Um zu funktionieren braucht Demokratie gewisse Tugenden der Verantwortlichen, vor allem Mut/Tapferkeit, Klugheit, Angemessenheit und Gerechtigkeit. Klaus Zapotoczky beleuchtet unter diesem Gesichtspunkt die Kardinaltugenden.
Zwischen die Erwerbsphase und die Altersphase hat sich ein neues Phänomen geschoben: Das sogenannte „Dritte Lebensalter“ oder die „Ruhestandsphase“. Viele Menschen fühlen sich in dieser Lebensphase noch nicht als alt und genießen sie vielmehr als Chance eines selbstbestimmten Lebens. Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann geht in seiner Betrachtung noch einen Schritt weiter und beschreibt das „Vierte Lebensalter“ – aus eigener Erfahrung.
Zu alledem finden Sie in diesem Oktoberheft noch viele Beiträge u.a. zum Freiwilligenengagement, Gewalt im Sport, zum Risiko einer Verwitwung, der Risiko-Demokratie, Erinnerungen und kritische Überlegungen. Und natürlich – für die geistige Fitness – das soziologie heute-Oktober-Kreuzworträtsel von Claudia Pass.
Die soziologie heute-Redaktion wünscht Ihnen einen hoffentlich angenehmen Herbst und interessante Lesestunden!
„Helden der Straße“

15. 9. 2022 (Public Opinion-Fernfahrerstudie)
Alle Autofahrer kennen sie, doch bei nicht allen sind sie beliebt: die Fernfahrer. Man macht sie verantwortlich für Staus, riskante Überholmanöver, Lärmbelastung und Luftverschmutzung. Dabei sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Fernfahrer zählen weltweit zu den systemrelevanten Berufen; ohne sie wäre unsere Versorgung nicht gesichert, wie zuletzt das Beispiel der verzweifelt nach Brummi-Fahrern suchenden Briten gezeigt hat. Wertschätzung für ihren Einsatz erfahren sie allerdings kaum.
In zahlreichen sogenannten „Trucker-Filmen“ werden sie als Helden hochstilisiert, als eine verschworene Gruppe, die eine Sache eint: die Freiheit der Straße. Doch wie steht es tatsächlich um das Los der „Kapitäne der Landstraße“ – wie sie oftmals auch bezeichnet werden? Das Linzer Sozialforschungsinstitut Public Opinion versuchte, an zwei ausgewählten Stellflächen im oberösterreichischen Zentralraum einen aktuellen Einblick in diese Materie zu gewinnen.
Spendenbenachteiligung für Bildungsprojekte beenden!
24.08.2022 | 10:20
Quelle: OTS Wirtschaft
Gemeinnützige Organisationen appellieren: Bildungsnotstand verhindern, Vorhaben aus Regierungsprogramm rasch umsetzen.
Wien (OTS) – Über zwei Jahre Pandemie haben im österreichischen Bildungssektor deutliche Spuren hinterlassen. Trotz des immensen Förderbedarfs und eines drohenden Bildungsnotstands sind Spenden an Bildungs-Initiativen per Gesetz von der Spendenbegünstigung ausgeschlossen. Das verhindert ein höheres Aufkommen für Bildungszwecke – Mittel die angesichts der höchsten Inflation seit 50 Jahren dringend benötigt werden. Die Bundesregierung ist gefordert zu handeln. Eine Task Force aus namhaften Organisationen des Dritten Sektors hat Bundesminister Brunner bereits einen konkreten Gesetzesentwurf vorgelegt.
Im Gegensatz zu fast allen anderen Spendenzwecken, sind private Zuwendungen für Bildungsprojekte zugunsten förderbedürftiger Schülerinnen und Schüler in Österreich steuerlich nicht absetzbar. Ein massiver Nachteil gegenüber anderen gemeinnützigen Bereichen, die durch die Spendenbegünstigung in den vergangenen Jahren starke Spendenzuwächse verzeichnen und sukzessive mehr bewirken konnten. Bildungsorganisationen konnten davon nicht profitieren und geraten durch die derzeit stark steigenden Kosten zunehmend unter Druck. „Gerade jetzt zum Schulbeginn sind viele wichtige Programme für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Gruppen sowie Kinder mit geringen Deutschkenntnissen gefährdet. Durch die zusätzlichen Spenden in Folge der Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit könnten 2023 zehntausende Kinder profitieren“, zeigt Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria, auf.
Großes Potential für private Bildungsförderung
Eine Schätzung von EcoAustria ergab, dass bei einer Gleichstellung von Spenden für Bildung zusätzlich mindestens 30 Mio. Euro pro Jahr kurzfristig für gemeinnützige Projekte zu erwarten sind. „Dieses Geld sollten wir mobilisieren, dafür brauchen gemeinnützig tätige Stiftungen sowie viele Unternehmen und Privatpersonen, die sich engagieren wollen, zeitgemäße Rahmenbedingungen. Das wäre im Europäischen Jahr der Jugend 2022 nicht nur ein wichtiges Symbol, sondern langfristig in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt wirksam“, betont Ruth Williams, Generalsekretärin des Verbandes für gemeinnütziges Stiften.
Laut einer Public Opinion-Umfrage finden es fast 50% der Menschen in Österreich wichtig, dass auch Spenden für österreichische Bildungseinrichtungen und -NPOs steuerlich absetzbar sind. 42% würden Bildungszwecke unter der Voraussetzung der Absetzbarkeit mit ihren Spenden unterstützen.
Prominent besetzte Task Force möchte mehr Bildungsspenden ermöglichen
Mit dem Wortlaut „Spendenabsetzbarkeit für Vereine im Bildungsbereich ausweiten“ findet sich das Thema zwar im aktuellen Regierungsprogramm, wartet aber darauf, behandelt zu werden. Zu Jahresbeginn haben daher namhafte Organisationen (Verband für gemeinnütziges Stiften, Fundraising Verband Austria, Industriellenvereinigung, Sindbad Social Business, Teach For Austria, B&C Privatstiftung, ERSTE Stiftung, MEGA Bildungsstiftung) eine Task Force gegründet, die sich für eine rasche Umsetzung einsetzt und Bundesminister Brunner bereits einen konkreten Vorschlag für die Neuregelung der Spendenbegünstigung vorgelegt hat. „Nun liegt es an der Bundesregierung, Chancengleichheit herzustellen und Spenden für wegweisende Bildungsprojekte zugunsten der Kinder und Jugendlichen in Österreich zu ermöglichen.“, sind sich Williams und Lutschinger einig.
Spendenabsetzbarkeit in Zahlen
Aktuell gehen 94% aller Spenden in Österreich an spendenbegünstigte Organisationen. Diese Spenden können somit steuerlich abgesetzt werden. An Organisationen mit nicht spendenbegünstigten Zwecken gehen hingegen nur 6%; darunter fällt eben auch das wichtige Spendenziel Bildung, wofür aktuell lediglich 3% des Spendenaufkommens lukriert werden.
1.August 2022
soziologie heute Augustausgabe 2022
Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine machen sich derzeit in allen Teilen der Welt spürbar bemerkbar. Gleichzeitig verunsichern steigende Virus-Infektionszahlen Politik und Bevölkerung. Populismus und Verschwörungstheorien feiern Hochkonjunktur und im Fundament unseres Zusammenlebens tun sich Risse auf.
soziologie heute greift auch in dieser Ausgabe wieder einige brandaktuelle Themen auf, spricht mit Expertinnen und Experten und lässt Autoren Entwicklungen hinterfragen. So besuchten Claudia Pass und Bernhard Hofer die 23. Ökumenische Sommerakademie in Kremsmünster (A), welche sich heuer dem Thema „Gesellschaft ohne Vertrauen“ widmete und interviewten für Sie ausgewählte Vortragende.
Einsamkeit ist lange als Einzelschicksal betrachtet worden, doch dieses Phänomen hat in den letzten Jahrzehnten derart an Häufigkeit zugenommen, dass sie in Medienberichten immer häufiger als Volkskrankheit oder als Epidemie beschrieben wird. Der Psychoanalytiker Herbert Csef begibt sich auf die Spur dieser „Volkskrankheit Einsamkeit“.
In Form eines fiktiven Interviews zwischen einer Journalistin und einem Verhaltensökologen thematisiert Rolf W. Meyer, dass die biologische Evolution des Menschen mit der von ihm eingeleiteten kulturellen Evolution schon lange nicht mehr Schritt halten kann.
Gibt es tatsächlich nur einen Pfad für den Umgang mit den Veränderungen des Klimas oder behaupten Politik und Medien dies nur, damit sie alternativlos simple Parolen verbreiten können? Guido Tolksdorf weist auf die Schwierigkeit hin, sich mit Alternativen kognitiv auseinander zu setzen und dabei treibende Interessenlagen zu verbergen undnähert sich der Klimadebatte in Form von 6 Thesen.
Für Ihre sommerlichen Lesestunden haben wir zudem noch ein weiteres buntes Themenspektrum parat: Bernhard Martin analysiert die Politik im Schatten des Ukrainekriegs, Michael Mayer thematisiert die Mobilitätspolitik, Francisco da Rocha beurteilt die Wiederwahlchancen des Brasilianers Jair Bolsonaro, Julius Daven und Andreas Schrenk berichten von ihren Erfahrungen als ehrenamtliche Wegbegleiter, Volker Wackerfuß ruft Ingmar Bergmanns Film „Sehnsucht der Frauen“, mit dem langsam dessen internationaler Erfolg begann, in Erinnerung, der Sanierer Johann Hüthmair verweist auf die mangelnde Effiziens der Gerichte, welche durch Gebührenvorrechte gehemmt werden, Richard Albrecht präsentiert sein Mutmaßung über mögliche Folgen falscher Staatspolitik am aktuellen Beispiel Corona und Alfred Rammer wimet seinen Beitrag einem der bedeutendsten mittelalterlichen Philosophen, Theologen und politischen Theoretiker der Spätscholastik, Wilhelm von Ockham.
Und für alle, die ihr soziologisches und Allgemeinwissen testen möchten hat Claudia Pass wieder ein anspruchsvolles Augusträtsel bereitet. Die Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern noch einen schönen, nicht zu heißen, Sommer.
Dr. Bernhard Hofer Dr. Claudia Pass Dr. Alfred Rammer
Was macht „gute SoziologInnen“ aus?
Auszug aus soziologie heute, Juni 2022
VON BERNHARD HOFER
Soziologinnen und Soziologen prägen den beruflichen Alltag und die Gesellschaft insgesamt – und zwar stärker als dies in Fachkreisen oder in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Vereinfacht ausgedrückt befassen sie sich wissenschaftlich mit dem Zusammenleben von Menschen in (der) Gesellschaft(en). Das Hauptaugenmerk ihrer Arbeit richtet sich auf die Gesellschaft mit ihren Phänomenen und Prozessen des sozialen Wandels. Zum einen wirken sie als Stabilisatoren der Gesellschaft, z.B. als Berater in der Politik, zum anderen treten sie für notwendige Veränderungen ein. Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn die Gesellschaft sich sozialen oder ökonomischen Herausforderungen gegenüber sieht. In solchen Fällen ist soziologisches Fachwissen zur Gewinnung von Erklärungsansätzen und Strategieentwicklung gefragt.
Auch auf die Gefahr hin, mich so manch kritischen Stimmen aus der eigenen Disziplin auszusetzen, versuche ich in diesem kurzen Beitrag der Frage nachzugehen, was Soziologinnen und Soziologen eigentlich machen (sollen), oder – um es etwas schärfer zu formulieren – was gute Soziolog/innen eigentlich ausmacht.
Wenn wir hier von „Soziologinnen und Soziologen“ sprechen, so sind damit nicht nur Lehrende und Forschende an Universitäten oder Hochschulen gemeint, sondern auch all jene, die als solche außerhalb dieser (geschützten) Institutionen in der Praxis zeigen, dass sie durch ihre speziellen Kompetenzen zum Verständnis und zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit beitragen.
So findet man Soziologinnen und Soziologen u.a. in folgenden Arbeitsfeldern: Forschung (Sozial-, Markt- und Meinungsforschung, Grundlagenforschung …), Bildung (Lehre, Erwachsenenbildung …), Management, Beratung in Politik, Wirtschaft und Kultur, Organisationsarbeit und Personalentwicklung, Sozial- und Gesundheitsbereich, Kultur, Verwaltung u.v.m.
Eine der besonderen Stärken und zugleich auch besonderen Schwächen dieser Berufsgruppe ist ihre Kritikfähigkeit. Eine Stärke deshalb, weil sie aufgrund ihrer Ausbildung mit analytischem Denken und Handeln vertraut sind und es verstehen, theoretische und methodische Grundkonzepte kritisch zu hinterfragen. Eine Schwäche ist es dann, wenn diese Kritikfähigkeit soweit geht, andere (neuere) Sichtweisen, Theorien und Methoden zugunsten der eigenen Position ohne fairen Diskurs abzuhalftern. Im Extremfall werden dabei noch Jünger um sich geschart, sodass jeglicher wissenschaftliche Diskurs im Keim erstickt wird.
Viele soziologische Theorien stehen in der Deutung der sozialen Welt zum Teil in Konkurrenz zueinander und alle bisherigen Versuche, soziale Verhältnisse in einer soziologischen Gesamttheorie zu erfassen, scheiterten bislang, da die gesellschaftlichen Wirkungsweisen und das soziale Handeln einfach zu komplex sind. Der Sache dienlicher wäre es sicherlich, den zahlreichen Verknüpfungen und Verbindungslinien zwischen verschiedenen Theoriepositionen und methodischen Auffassungsweisen1 mehr Augenmerk zu schenken.
Doch was macht nun wirklich ein(e)n gute(n) Soziologen/Soziologin aus?
Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) und der Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) beschlossen 1992 einen gemeinsamen Ethikkodex für Soziologen. Darin werden Soziologen u. a. zur Objektivität, Neutralität und wissenschaftlichen Unabhängigkeit verpflichtet. Bei Verstößen sind zunächst Schiedsverfahren, aber auch standesrechtliche Ahndungen vorgesehen. Zuständig ist dafür eine ständige gemeinsame Ethikkommission der beiden Verbände DGS und BDS.
Der Berufsverband der Soziologinnen und Soziologen Österreichs erstellte 2008 das Berufsleitbild für die Soziologinnen und Soziologen Österreichs und einen Ethikkodex, welche eine Orientierungshilfe bieten. Diese eignen sich meines Erachtens nach sehr gut darzustellen, welche Eigenschaften Soziologinnen und Soziologen aufweisen sollten, um den an sie gesetzten Erwartungen gerecht zu werden.
Soziologinnen und Soziologen haben ein Studium mit Hauptfach „Soziologie“ an einer staatlich anerkannten Universität oder Hochschule erfolgreich abgeschlossen und dadurch die Befähigung zum praktisch-wissenschaftlichen Arbeiten erlangt.
Aufgrund ihrer Ausbildung sind sie mit analytischem Denken und Handeln vertraut und verstehen es, theoretische und methodische Grundkonzepte in der sozialen Praxis umzusetzen. Ihr Wissen um die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Methoden empirischer Sozialforschung ermöglicht eine interdisziplinäre, flexible und lösungsorientierte Herangehensweise an konkrete Fragestellungen. Durch ihre Beschäftigung mit speziellen Soziologien sind sie für bestimmte gesellschaftliche Teilbereiche und Prozesse besonders sensibilisiert. Das Profil bzw. der Kompetenzbereich von Soziologinnen und Soziologen ist abhängig von der absolvierten Universität/Hochschule und von der Auswahl der jeweiligen Schwerpunkte sowie der in Weiterbildung erworbenen Kompetenzen– zum Beispiel Gesundheitssoziologie, Entwicklungssoziologie, Organisationssoziologie etc.
In ihrer beruflichen Praxis sind sie den neuesten Erkenntnissen aus Forschung und Lehre verpflichtet. Ständige Weiterbildung und der Erwerb von Zusatzkompetenzen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen ermöglichen ihnen eine adäquate und versierte Auseinandersetzung mit der sozialen Welt. Durch ihre fächerübergreifende Betrachtungsweise sind Soziologinnen und Soziologen dafür prädestiniert, „Brücken“ zu anderen Disziplinen zu schlagen.
Ihre eingesetzten soziologischen Methoden sind der jeweiligen Fragestellung angemessen und die Ergebnisdarstellung ist transparent und nachvollziehbar.
Soziologinnen und Soziologen beziehen in ihre Arbeit den sozioökonomischen Kontext mit ein und handeln selbstreflektiv, empathisch, konstruktiv kritisch und unparteiisch. Kernkompetenzen und Professionalisierungsmonopol liegen im Erkennen der sozialen Ordnungen in Gruppen und sonstigen gesellschaftlichen Strukturen. Sie vereinfachen komplexe gesellschaftliche Phänomene und Situationen auf klare Aussagen für effiziente Lösungen. Durch fundierte soziologische Beratung tragen sie so zur Entscheidungsfindung ihrer Auftraggeber bei.
Soziologinnen und Soziologen stehen vor allem im Dienst der Allgemeinheit und orientieren sich am öffentlichen Wohl. Sie orientieren sich an den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft und an den in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formulierten Werten. In der Ausübung ihres Berufes streben sie nach wissenschaftlicher Integrität und Objektivität. Dabei sind sie sind den bestmöglichen Standards in Forschung, Lehre und sonstiger beruflichen Praxis verpflichtet.
Soziologinnen und Soziologen tragen große soziale Verantwortung, da durch ihre Empfehlungen, Aussagen und Entscheidungen das Leben ihrer Mitmenschen stark beeinflusst wird. Geben sie fachspezifische Urteile ab, sollen sie ihr Arbeitsgebiet, ihren Wissensstand, ihre Fachkenntnis, ihre Methoden und ihre Erfahrungen eindeutig, angemessen und nachvollziehbar darlegen. Dementsprechend sollen sie auch geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein möglicher Missbrauch und daraus resultierend nachteilige Auswirkungen auf Auftraggeber, Forschungsteilnehmende, Kollegen- bzw. Mitarbeiterschaft und Studierende vermieden werden.
Der Berufsverband der Soziologinnen und Soziologen Österreichs (https://soziologie.wordpress.com) legt großen Wert auf die Qualifizierung, also laufende Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder. Mit Führung eines BSÖ-Ethik-Commitment-Siegels wird dokumentiert, dass das jeweilige Mitglied die für die Berufsausübung als Soziologe/Soziologin erforderlichen Leistungsnachweise erbracht hat und sich an die im BSÖ-Ethik-Kodex angeführten Anforderungen bindet. Das BSÖ-Ethik-Commitment-Siegel ist sichtbarer Ausdruck der Selbstverpflichtung zum Einhalten bestimmter ethischer Grundprinzipien für Soziologen und Soziologinnen. Sowohl in der Innen- als auch Außenwirkung dient es der Orientierung und zur Abgrenzung und trägt somit dazu bei, den Stellenwert der Soziologie sowohl im Bereich der Wissenschaft zu erhöhen als auch die Profession der Soziologinnen und Soziologen und deren Einsatzfelder in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.
Literatur:
1) Vgl. J. Morel, E. Bauer, T. Meleghy, H.-J. Niedenzu, M. Preglau H. Staubmann (Hrsg.): Soziologische Theorie. Abriss der Ansätze ihrer Hauptvertreter. 9., aktualisierte und erw. Auflage. de Gruyter Oldenbourg, München 2015
Wie lange hält Solidarität an?
Auszug aus soziologie heute, April 2022

„Wladimir der Große“
Auszug aus soziologie heute, April 2022

Freiwilligenpolitik.mitgestalten.jetzt
Im Beteiligungsprojekt „freiwilligenpolitik.mitgestalten.jetzt“ haben rund 300 Freiwillige und deren Organisationen Handlungsempfehlungen zur Erneuerung des Freiwilligengesetz erarbeitet. Die Ergebnisse des Prozess werden dem BMSGPK (Sozialministerium) durch IGO Geschäftsführer, Franz Neunteufl, präsentiert. Verantwortliche des Sozialministeriums nehmen zur weiteren Verwendung dieser Ergebnisse Stellung. Es folgt eine Diskussion zwischen Ministerium, Freiwilligensprecher:innen der Parlamentsparteien und Veranstaltungsteilnehmer:innen.
16.3.2022
70 Mio. Euro für den guten Zweck durch gemeinnützige Stiftungen
Fundraising Verband begrüßt Europäisches Symposium zum Thema Stiftungen und betont Notwendigkeit zu Verbesserungen am Stiftungsstandort Österreich
Wien (OTS) – Fast jeder zehnte Spendeneuro stammt in Österreich aus Stiftungszuwendungen, die damit ähnlich viel für gemeinnützige Projekte beitragen wie Unternehmensspenden. Im Vergleich zu Nachbarstaaten trifft der Stiftungssektor hierzulande aber auf keinen fruchtbaren Boden. Der Fundraising Verband Austria fordert gemeinsam mit Stiftungs- und NPO-Vertretern seit Jahren bessere legislative Rahmenbedingungen, um das große Potential zu nutzen – sei es für humanitäre, soziale oder kulturelle Zwecke. Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt des Europäischen Symposiums mit dem Titel „Stiften kann mehr!“ heute in Wien.„70 Mio. Euro jährlich sind ein beachtlicher Beitrag für wohltätige Anliegen, wie die humanitäre Notlage in der Ukraine. Der Blick in unsere Nachbarländer zeigt allerdings, dass zum Beispiel in der Schweiz neben rund 2 Mrd. Schweizer Franken an privaten und unternehmerischen Spenden nochmal 2 bis 3 Mrd. pro Jahr von gemeinnützigen Stiftungen in Projekte fließen. Österreich hat im Vergleich dazu noch Luft nach oben.“
, betont Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria, der beim international besetzten Symposium heute in Wien spricht.
Politische Verbesserungen notwendig
Bei der vom Verband für gemeinnütziges Stiften und der Kärntner Kulturstiftung mitorganisierten Veranstaltung sind auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Stiftungswesen ein zentrales Thema. Fakt ist, dass die Gesetzeslage in Österreich mehr philanthropisches Engagement aus dem Stiftungssektor hemmt, darin sind sich die Experten einig. Nicht nur eine langfristige und alle Spendenzwecke gleich behandelnde Regelung der Spendenabsetzbarkeit für gemeinnützige Stiftungen wartet seit Jahren auf Umsetzung. Auch eine bessere Koordination durch Servicestellen oder die KESt-Befreiung könnten wesentlich mehr Mittel für Hilfsprojekte freisetzen.
Bedeutung von Stiftungen wächst – auch für Kunst und Kultur
Neben dem Sozialbereich oder der Wissenschaft, spielen Stiftungen auch im Kultursektor eine immer größer werdende Rolle als Förderquelle. Davon zeugen nicht nur herausragende Engagements, wie jene der POK Pühringer Privatstiftung zur Förderung der Wiener Sängerknaben und beim Bau des Konzertsaals MuTh oder das der Haselsteiner Familien-Privatstiftung zugunsten der Tiroler Festspiele Erl bzw. derzeit beim Umbau des Künstlerhauses als Kinderopern-Spielstätte. Erst 2020 wurde mit der Kärntner Kulturstiftung ein wahres Leuchtturmprojekt für die private Kulturförderung ins Leben gerufen, die erfolgreich Mittel von Zustiftern, Sponsoren und Förderern einwirbt. Im ersten Call wurden bereits 200.000 Euro für Kulturprojekte ausgeschüttet. Zudem zeigt die Stiftung als Public Private Partnership ein wegweisendes Zukunftsmodell der Kulturfinanzierung auf: Denn auch das Land Kärnten hat sich mit 50.000 Euro am Stiftungsvermögen beteiligt, was Kofinanzierungen für Kulturprojekte möglich macht.
Stark steigendes Interesse an Kulturfundraising
„Beim Fundraising Verband Austria verzeichnen wir ein stark steigendes Interesse am Thema Stiftungen, insbesondere aus dem Kultursektor, der als Spendenfeld großes Potential aufweist.
Acht Prozent der Bevölkerung sind laut Public Opinion-Studie gewillt, für Kunst und Kultur zu spenden, was möglichen Mitteln in Höhe von 60 Mio. Euro jährlich gleichkommt.“
, verrät Geschäftsführer Lutschinger. Das tatsächliche Spendenaufkommen für Kultur liegt nur bei einem Bruchteil davon, könnte jedoch durch gezielte Fundraising-Maßnahmen nutzbar gemacht werden, ist Lutschinger überzeugt. Daher lädt der Fundraising Verband bei seiner Fachtagung Kulturfundraising und -sponsoring am 28. April in der Diplomatischen Akademie die namhaftesten Experten und Kulturmanager aus dem In- und Ausland zum Austausch mit der heimischen Kulturszene ein. Die in ihren Fundraising-Aktivitäten kreativsten und erfolgreichsten Kulturbetriebe zeichnet der FVA in Kooperation mit dem BMKÖS dabei erstmals mit den neu geschaffenen Kulturfundraising-Awards aus. Weitere Infos: fundraising.at.
Rückfragen & Kontakt:
Dr. Andreas Anker, Presse Fundraising Verband, T: 0676/4214706, E: presse@fundraising.at